ISBN 978-1-84149-569-9
Dämonen sind echt, Zauberei ist möglich, aber eigentlich basiert das alles nur auf Mathematik. (Warum muss ich als Potter-Leser jetzt an
Arithmancy denken? Und wurde das im Deutschen eigentlich in
Mathemagie übersetzt?)
Man stelle sich vor, dass sich Beschwörungen und ähnliches im Wesentlichen auf das Berechnen bestimmter komplizierter Formeln herunterbrechen lassen. Heutzutage braucht man als Katalysatoren natürlich keine Pentagramme aus Hühnerblut mehr, sondern malt diese stattdessen mit Hochleistungslasern, da ist das ganze gleich viel exakter. Natürlich gibt es ultrahochgemeine staatliche Organisationen, die derartiges Wissen hüten und verteidigen und dafür sorgen, dass sich die normalsterbliche Bevölkerung keine (un)nötigen Sorgen um das mögliche Ende der Welt macht. Außerdem sorgen sie dafür, dass übermutige Skriptkiddies nicht aus Versehen über diese Formeln stolpern und dann Fraktalgeneratoren mit ziemlich unerwartet- und -wüschten Nebenwirkungen schreiben.
Der Protagonist ist ein kleiner Systemadministrator in einer dieser mächtigen Geheimdienstorganisationen, der ein wenig aus Zufall in den "aktiven Dienst" stolpert und sich nun mit übelgelaunten Dingen aus der einen, übriggebliebenen Nazis aus der anderen Nachbardimension, Terroristen aus dem Nahen Osten sowie seiner ziemlich komischen (Ex-)Freundin und dem Weltuntergang herumschlägt.
Zwischen seinen Exkursionen hat er daheim seine Kollegen, interne Machtkämpfe und das Ausfüllen von Spesenabrechnungen am Hals, denn natürlich kann sich so eine große Organisation nur mit ausreichend Bürokratie auf den Beinen halten...
Das Buch ist eine Mischung aus Agenten-Thriller, Horror und irgendwo auch Comedy mit leicht britisch/schwarzem Humor. Aber das schönste an dem Buch ist - abgesehen von der guten Handlung und dem interessanten Setting - der Sprachwitz. Charles Stross bringt da einige sehr treffende, kreative Situationsbeschreibungen und Beobachtungen aufs Papier.
Ebenfalls sehr gut gelungen ist die Einbindung tatsächlicher Geschehen (auch recht aktueller, wie z.B. der allumfassenden Videoüberwachung in England) in die erfundenen Handlungsstränge. Realität und Fiktion werden hier außerst geschickt miteinander verwoben.
Irgendwie war mir beim Lesen so, als ob das mal zwei Bücher waren. Mittendrin geht irgendwie ein zweiter Handlungsstrang los. Das Umfeld und die Hauptcharaktere bleiben die gleichen, aber weniger wichtige Charaktere sind etwas aus dem Fokus gerutscht. Ich hätte sogar drauf tippen wollen, dass der zweite Teil zuerste geschrieben wurde. Keine Angst, es fühlt sich alles "aus einem Guss" an. Das Nachwort gibt mir übrigens Recht, das waren wohl mal zwei einzeln stehende Geschichten.
Unnützes Wissen für 300: Nachdem ich mich in
World War Z schon erschreckt hatte, dass ich zielsicher wusste, dass an der einen Stelle über
dieses Schiff geschrieben wurde, habe ich jetzt festgestellt, dass ich mir in der Wikipedia zu viel zum Thema Nuklearwaffen und -unfälle angelesen habe: Sowohl der prinzipielle Aufbau einer Atombombe nach Teller-Ulam-Design war mir geläufig als auch der Strahlenunfall von Harry Daghlian. Interessanterweise verweist Wikipedia an entsprechender Stelle sogar selber
auf dieses Buch. (Am Rande: Die Atomunfall-Listen in der Wikipedia sind übrigens
echte Grusel-Lektüre.)
Was mich an dem Buch ein wenig gestört hat, war der sorglose Umgang mit ausländischen Begriffen. Das wirkte etwas "dahingeschnoddert". Ganz ohne Umlaute (ist immerhin ein englisches Buch) wäre ja noch ok gewesen, aber solche Buchstabenkonglomerate wie
Peenumënde oder
Vertlesgunswaffen sehen vielleicht für Angelsachsen unverkennbar "deutsch" aus, passen aber nicht in das sonst eigentlich meiner Meinung nach recht gut recherchierte Buch. Auch
otoaku im Nachwort sollte wohl ein anderes Wort werden.
Leser ohne Deutsch- und Japanischkenntnisse sind hier leicht im Vorteil :)
Alles in allem: Danke an Lalufu für den Lesetipp!
Mitch's Manga Blog am : Nachbereitung Projektabschluss