Virtuelle Desktops unter Windows
In einem firmeninternen Blogbeitrag zum Thema „effiziente Videokonferenzen“ kommentierte ein Kollege, dass man beim Teilen seines Bildschirms doch einfach einen virtuellen Desktop aufmachen könnte, dann sind die anderen Anwendungen bei der Übertragung nicht im Weg und es ploppen auch keine ungewollten Popups auf.
Huch, sowas kann Windows?
Virtuelle Desktops
„Virtueller Desktop“ bedeutet, dass man mehrere Arbeitsflächen hat, zwischen denen man beliebig umschalten kann. Jede Arbeitsfläche kennt die auf ihr laufenden Anwendungen und zeigt nur jeweils diese an. Meist gibt es Funktionen, um Anwendungen zwischen den virtuellen Desktops hin- und herzuschieben oder einzelne Fenster immer auf allen Desktops anzuzeigen („sticky“).
Dass das jetzt auch unter Windows mit reinen Bordmitteln funktioniert, war mir neu. Das Verfahren selbst ist uralt (aber Windows kann ja halt immer nix ;-) – ich habe virtuelle Desktops schon vor über 20 Jahren unter verschiedenen Linux-Windowmanagern benutzt. Das Konzept ist bestimmt noch älter: Ich glaube, der Amiga konnte schon sowas in der Art und erfunden wurde es vermutlich wieder in den 70ern irgendwo in den Palo Alto Labs (und serielle Terminals an Großrechnern konnten bestimmt auch schon mehrere Sessions multiplexen).
Windows-Bordmittel
Unter Windows 10 ist das jetzt alles ganz einfach:
Das Icon „Taskansicht“ in der Taskleiste öffnet eine Übersicht, in der man unten rechts auf „Neuer Desktop“ klicken kann. Die vorhandenen Desktops werden im unteren Bereich dargestellt. Man kann dort den aktuellen Desktop per Klick wechseln und Fenster per Drag & Drop auf andere Desktops ziehen, Mit Rechtsklick auf ein Fenster kann man es auf „sticky“ schalten (das merkt sich Windows sogar über Reboots hinweg – nett).
Wem wie mir die Mausbedienung zu umständlich ist, für den gibt es eine Reihe von Tastenkürzeln:
Win
+Tab
öffnet die TaskansichtWin
+Strg
+D
erstellt einen neuen virtuellen DesktopWin
+Strg
+F4
entfernt den aktuellen virtuellen DesktopWin
+Strg
+Pfeil-Links
bzw.Pfeil-Rechts
wechselt den angezeigten virtuellen Desktop
Tastaturprobleme
Ich nutze noch die gute alte unschlagbare IBM-Klappertastatur 1391403
– auf der hiesigen im Home-Office steht das Baujahr 1997 und damals
gab es noch keine Win
-Taste. Unter Windows kann man die
Tastenfunktionen auch nicht umbelegen. Also kann ich keine virtuellen
Desktops benutzen (alles mit der Maus zu klicken ist viel zu
umständlich). Böh!
Wenn Windows die Tasten nicht umbelegen kann, kann das jemand anders? Ja! Der Dienstrechner hat Zugriff auf AutoHotkey und damit geht sowas.
Aber wohin mit den Tastenkombinationen? Welche Taste hat jede
Tastatur, wird aber nie benutzt? Richtig: CapsLock
. Ich habe mir
folgende Einstellung zusammengebastelt (an dieser Stelle möchte ich
nicht über die Syntax von AutoHotkeys Konfigurationsdatei lästern):
- ; Virtuelle Windows-Desktops auf IBM 1391403 Klappertastatur
- ; ohne Windows-Taste benutzen:
- ; legt die Windows-Taste auf CapsLock, die ist sowieso ungenutzt
- ;
- ; offen: Abschalten des nervigen Popup-Icons bei Betätigen von CapsLock
- ; TaskView öffnen: CapsLock+Tab statt Win+Tab
- CapsLock & Tab:: Send #{Tab}
- ; Desktop wechseln: CapsLock+Links/Rechts statt Win+Strg+Links/Rechts
- CapsLock & Left:: Send #^{Left}
- CapsLock & Right:: Send #^{Right}
- ; Neuer Desktop: CapsLock+D statt Win+Strg+D
- CapsLock & d:: Send #^{d}
- ; Desktop schließen: CapsLock+F4 statt Win+Strg+F4
- CapsLock & F4:: Send #^{F4}
- ; Screen Snapshot: CapsLock+S statt Win+Shift+S
- CapsLock & s:: Send #+{s}
(Weil ich gerade dabei war, habe ich die einzige Tastenkombination,
die ich sonst noch kenne und brauche, aber nicht tippen kann,
ebenfalls gemappt: CapsLock
+ S
statt Win
+ Shift
+ S
startet das Windows-interne Screenshot-Tool. Das ist sehr praktisch.)
Für die Zukunft
Gebastelt ist, jetzt muss ich das ganze nur noch in der Praxis nutzen und ins Muscle-Memory übergehen lassen. Unter Linux habe ich das ja auch schon lange geschafft.
Aktuell entsprechen die CapsLock
-Kombinationen ungefähr den
originalen Tastenkombinationen, damit sie einfacher zu merken sind.
Bei mir ist das ja nicht wichtig, ich kann die alten ja auch noch
nicht. Sinnvoller wäre es, die Tastenkombinationen so zu wählen, dass
sie komplett mit der linken Hand eingebbar sind, dann kann die rechte
an der Maus bleiben. Da werde ich mir noch ein passendes Mapping
suchen.
Und eine Sache stört noch: Irgendeine ThinkPad-Systemsoftware malt bei
jedem Druck auf CapsLock
ein großen Icon auf den Bildschirm, dass
ich gerade die Taste CapsLock
drücke, und verschwindet erst nach
ca. vier Sekunden wieder. Das ist total nervig, weil ich CapsLock
ja demnächst öfter drücken will. Eine Anfrage an unseren IT-Support,
wie ich das abgeschaltet kriege, läuft schon.
Wo ich jetzt AutoHotkey nutze: Irgendwelche tollen Ideen, was man
damit noch fernsteuern sollte? Ein paar CapsLock
-Kombinationen sind
ja noch frei.
Netz - Rettung - Recht am : Wellenreiten 05/2020